Volta Catalunya Giulio Pellizzari
© Maximilian Fries
WorldTour

Giulio Pellizzaris neues Kapitel: Lernen, Wachsen, Große Träume

Das 21-jährige Nachwuchstalent spricht mit uns bei der Volta Catalunya über sein neues Kapitel mit Red Bull - BORA - hansgrohe.
Autor: RBH
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Mit 15 Jahren stand Giulio Pellizzari an den staubigen Straßen der Toskana und sah zu, wie die besten Fahrer der Welt über den weißen Schotter der Strade Bianche rasten. Damals war er nur ein Fan – und wie es sich für einen guten Fan gehört, wollte er ein Foto mit einem jungen Slowenen namens Tadej Pogačar. Pogačar war damals ein Talent mit Potenzial, doch Giulio hatte eine Vorahnung. „Dieser Typ wird ein Star, mach ein Foto mit ihm!" drängte er seinen Freund. Doch der lehnte ab. Heute bereut er es.
Giulio Pellizzari and Tadej Pogačar at Strade Bianche in 2019

Giulio Pellizzari and Tadej Pogačar at Strade Bianche in 2019

© Giulio Pellizzari

Jahre später schloss sich der Kreis, als Giulio sich plötzlich im Rennen gegen Pogačar beim Giro d’Italia wiederfand – ein Beweis dafür, wie schnell der Radsport Bewunderer in Konkurrenten verwandeln kann. In der Fluchtgruppe kämpfte er auf den letzten, gnadenlosen Metern zum Monte Pana darum, den Slowenen hinter sich zu lassen. Es reichte nicht. 1.200 Meter vor dem Ziel wurde er eingeholt. Doch dieser Moment war größer als ein Sieg. Nach der Ziellinie suchte er das Maglia Rosa auf und fragte nach seiner Sonnenbrille – eine kleine Geste mit großem Echo. Er ging mit der Brille, einem rosa Trikot und einem viralen Moment davon, der seinen Einzug in die Profi-Szene markierte.
An diesem Tag richtete sich der Blick der Radsportwelt auf ihn. Doch sein Talent war lange zuvor erkennbar gewesen.
Aufgewachsen in einem kleinen Dorf in den Apenninen, fand Giulio Pellizzari durch seinen Vater zum Radsport. Kurz flirtete er mit dem Fußball, doch die Berge prägten ihn zum Kletterer. Sein markanter Gen-Z-Haarschnitt wurde ebenso sein Markenzeichen wie sein instinktiver, unerschrockener Fahrstil. Er war ein vielversprechender Junior, aber kein vorbestimmtes Wunderkind. Als Bardiani ihn 2022 mit 18 Jahren unter Vertrag nahm, erwartete niemand sofortige Glanzleistungen – doch das Potenzial war unverkennbar. 2023 begann sich diese Zukunft rasant zu entfalten: Er gewann die letzte Etappe der Tour de l’Avenir und wurde Gesamtzweiter. Seine Entwicklung war unaufhaltsam.
Sein Debüt beim Giro d’Italia 2024 wurde zur Feuertaufe. Eine Krankheit setzte ihm in den ersten Wochen zu. Er litt, aber Aufgeben war keine Option. Als jüngster Fahrer des Rennens suchte er jede Gelegenheit für Fluchtversuche – angetrieben von der Gewissheit, dass Leiden ein fester Bestandteil dieses Sports ist. Dieser Weg führte ihn schließlich zu Red Bull – BORA – hansgrohe.
Giulio Pellizzari on the bus at Volta Catalunya

Giulio Pellizzari on the bus at Volta Catalunya

© Max Fries/Red Bull - BORA - hansgrohe

Was als Nächstes kommt, ist ungeschrieben. Er träumt davon, die Tour de France zu gewinnen. Er hat die Berge in den Beinen, das Feuer im Herzen und eine Straße vor sich, die sich in unendliche Möglichkeiten verzweigt.
Was als Nächstes kommt, ist ungeschrieben. Er träumt davon, die Tour de France zu gewinnen. Er hat die Berge in den Beinen, das Feuer im Herzen und eine Straße vor sich, die sich in unendliche Möglichkeiten verzweigt. Er weiß, dass er noch viel zu lernen hat, während er das nächste Kapitel seiner Karriere aufschlägt. Doch er ist kein Fahrer, der sich in Zahlen und starre Rennpläne zwängen lässt.
„Ich bin ein Klassementfahrer. Ich fahre nach Gefühl. Wenn ich mich gut fühle, attackiere ich", sagt er. „Natürlich folge ich den Zahlen, aber ich lasse sie nicht alles bestimmen. Ich weiß, das ist ein bisschen altmodisch, aber für mich ist das die Essenz des Radsports."
Diesen Instinkt zu verfeinern, ist eines seiner Hauptziele in seinem ersten Jahr bei Red Bull – BORA – hansgrohe. 2025 ist für ihn ein Jahr des Lernens – von Teamkollegen, Betreuern und den Erfahrungen, die das Leben in einem WorldTour-Team mit sich bringt.
Giulio Pellizzari and his soigneur Bram de Meulenaere at Volta Catalunya

Giulio Pellizzari and his soigneur Bram de Meulenaere at Volta Catalunya

© Max Fries / Red Bull - BORA - hansgrohe

Und er stellt sich bereits den Lücken in seinem Skillset. „Nach der fünften Etappe der Volta Catalunya kann ich definitiv sagen, dass ich mich in Seitenwind-Situationen verbessern möchte!" lacht er. „Und auch im Zeitfahren – ich habe davor nie wirklich spezifisch dafür trainiert. Aber ich muss sagen, es macht mir richtig Spaß, und ich freue mich darauf, besser zu werden."
Neben den Herausforderungen auf dem Rad gewöhnt er sich an die Dynamik eines internationalen Teams. Seine bisherigen Mannschaften waren eng verbundene, rein italienische Gruppen. Nun ist er von Fahrern aus aller Welt umgeben.
„Einer der größten Unterschiede hier ist die Größe und die Ressourcen des Teams", erklärt er. „Aber trotzdem fühlt es sich wie eine Familie an. Vorher war ich in einer kleinen italienischen Familie. Jetzt bin ich in einer großen internationalen Familie. Ich lerne immer noch die Namen aller!"
Doch eine Herausforderung ist größer als jede Taktik oder jedes Training.
„Das Größte, was ich hier gelernt habe?" Er grinst. „Englisch! Ich weiß, du hast erwartet, dass ich etwas über den Radsport sage, aber wirklich, ich verbessere mein Englisch jeden Tag. Besonders in den letzten Wochen mit Frederik Wandahl – ich war mit ihm auf dem Teide und bei der Volta Catalunya, und sein Englisch ist richtig gut. Ich hoffe, dass etwas davon auf mich abfärbt!"
Trotz der kulturellen Umstellung gibt es vertraute Gesichter, die ihn unterstützen. Die italienische Fraktion im Team – Gianni Moscon, Matteo Sobrero, Giovanni Aleotti und sein Coach Paolo Artuso – hilft ihm, sich einzufinden.
Er ist zudem umgeben von Fahrern, die er einst bewunderte.
„Mein Vorbild im Team? Ohne Frage Primož. Er ist einer der besten Fahrer der Welt. Seine Siegermentalität und sein Fokus beeindrucken mich sehr."
Er ist alles in einem. Früher habe ich Roglič gesehen. Jetzt sehe ich Primož.
Ob er Roglič als Teamkollegen, Freund oder Mentor sieht? Er lächelt wissend. „Er ist alles in einem. Früher habe ich Roglič gesehen. Jetzt sehe ich Primož."
Giulio Pellizzari and Primož Roglič on Volta Catalunya Stage 3

Giulio Pellizzari and Primož Roglič on Volta Catalunya Stage 3

© Max Fries / Red Bull - BORA - hansgrohe

Mit solchen Vorbildern wachsen auch seine eigenen Ambitionen. Sein größter Traum? Der größte von allen.
„Mein Traum ist es, die Tour de France zu gewinnen. Momentan wäre ich schon glücklich, eines Tages teilzunehmen – aber man muss groß träumen."
Ein Traum, geboren in flimmernden TV-Bildern, während er Pogačar dabei zusah, wie er mit eleganter Gnadenlosigkeit Gipfel bezwang. Nun rückt er diesem Traum näher. Doch Giulio bleibt geerdet.
„Habt Spaß am Radsport. Nehmt ihn nicht zu ernst. Es ist ein harter Sport, und wenn ihr ihn nicht genießt, wird er noch härter. Junge Fahrer sind heute sehr fokussiert, aber sie sollten die Liebe zum Sport hinter all den Zahlen nicht verlieren."
Diese Liebe ist es, die ihn antreibt. Was als Nächstes passiert, ist ungewiss. Doch eines steht fest: Giulio Pellizzari wird nicht warten. Er wird sich seine Chancen holen.

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